Nachfolgerin für ausgeschiedenen Stadtrat Tony Gentsch „III. Weg“

/ Aufmucken, Projekte

TW/Triggerwarnung: Gewalt/sexuelle Gewalt

Sandra Weller/Pflegekraft/3 Kinder.
Sie ist die Nachfolgerin von Tony Gentsch im Stadtrat.

Das Bild ist am 02.10.2022 entstanden.
Relevanter Gruß?

Bild 1: Marco Kemp
Link zum Album: https://www.flickr.com/photos/marcokemp/albums/72177720302580302/

Bild 2: Karikatur von Piet/Ausstellung zum III. Weg mit Begleitvortrag – Anfragen über colorido e.V.

Prune Antoine schrieb für Mediapart 2020/2021 folgendes über diese Frau:

„Es ist, als hätte ich eine zweite Familie gefunden”

Mit ihren roten Haaren, dem schwarzen Kapuzenpulli und den vernarbten Armen hat Sandra, 38, in der Kleiderkammer alle Hände voll zu tun. Seit drei Jahren sammelt, sortiert und ordnet sie jeden Freitag von 10 bis 15 Uhr Hunderte von Kleidungsstücken, Hosen, Kinderschuhen und -stiefeln, Fahrrädern, Spielzeug und Haushaltsgeräten, die von Anwohnern abgegeben wurden.

Jeden Freitag bringen oder holen zwischen 10 und 30 Personen das, was sie brauchen, ab. „Es ist wie ein Mini-EBay, lokal und vor allem kostenlos”, sagt sie mit sanfter Stimme. Auf einem Stuhl sitzend faltet sie Pullover, während sie ihr jüngstes Kind stillt, ein acht Monate altes Baby, das sie Tony genannt hat – „Little Tony”, sagt sie, als Hommage an >Big Tony<, den sie als Bruder betrachtet.

Als ehemalige Pflegehelferin in einem Altersheim war Sandra nie ein „politischer” Mensch. Bis sie von sechs Flüchtlingen in einer Straßenbahn sexuell belästigt wurde.

„Sie sagten: ‚Komm her, Liebling‘, und fingen an, mein Bein und dann meine Brüste zu berühren. Bei der Polizei wollte niemand meine Anzeige aufnehmen. Sie haben mich nicht ernst ge­nommen und mir gesagt, ich solle mit Pfefferspray herumlaufen. In diesem Moment wurde mir klar, dass mir niemand helfen würde.”

Sie trifft Tony, als er im Stadtzentrum unterwegs ist: Er hört ihr zu, sie unterhalten sich und er bietet ihr an, sie mitzunehmen. Sie kommt einmal. Ihr gefiel, was sie sah: Solidarität in einer Zeit, in der die Menschen ganz allein sind. Sie beschließt, sich als Freiwillige zu enga­gieren. Was Sandra mag, ist >Menschen in Not zu helfen<. Sie strecke die Hand aus, die sie nie hatte.

Sie wurde geschlagen, bis sie 16 war, von ihrem Stiefvater vergewaltigt, mit 17 schwanger und hat vier Kinder von drei verschiedenen Vätern – ihr Leben war nicht einfach.

„Hier unterstützen wir uns gegenseitig, wir sind füreinander da. Natürlich gibt es Leute in der Stadt, die sagen, wir seien Nazis. Ich sage nichts mehr, ich höre nicht einmal zu. Ich ziehe mich normal an, ich bin normal. Ich fühle mich hier wohl, es ist, als hätte ich eine zweite Familie gefunden.”

Tony Gentsch steckt die Nase durch die Tür und zwinkert: „Alles was wir wollen, ist die Herzen der Menschen zu gewinnen.”

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