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OPFER vs. TÄTER

Warum reden wir in Plauen nur von hohen Opferzahlen? Waren wir nicht auch eine Stadt der Täter?

Am 10. April 1945 fand der letzte Bombenangriff der Alliierten auf Plauen statt. Dieses Ereignis nutzten in den letzten Jahren Neonazis und Geschichtsrevisionisten aus, um ihr Geschichtsbild auf die Straße zu tragen und um, wie sie sagen zu „trauern, um die Opfer des alliierten Bombenholocaust“. Dies bedeutet jedoch nichts anderes als die Inszenierung eines Opfermythos nach dem Motto: „eine arme, unschuldige Zivilbevölkerung wurde von der bösen alliierten Luftwaffe ermordet.“

 

Die Plauener Stadtgesellschaft hatte verschiedene Krisen erlebt: den Niedergang der heimischen Textilindustrie seit 1912, den Ersten Weltkrieg mit der Inflationszeit und die Weltwirtschaftskrise, in deren Folge Plauen die höchste Arbeitslosenquote unter deutschen Städten verzeichnet. Frühe sächsische Hochburgen der NSDAP sind im Zwickauer Raum und im Vogtland entstanden. 1922 ist in Plauen die erste Ortsgruppe gegründet worden, sie hat Anfang 1925, nach Verbotszeit und Wiedergründung, bereits 1200 Mitglieder und übernimmt damit die sächsische Führungsrolle.

Fragt man nach den Gründen für diesen Erfolgskurs der Partei, muss man das völkische Milieu betrachten, das in Plauen schon früh existiert. Schon im August 1914 kam es in der Stadt zu pogromartigen Ausschreitungen gegen ostjüdische Kaufleute und Konkurrenten im Textilgewerbe, später verankert sich hier der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund (DSTB)“. Eine im Vogtland weit verbreitete Heimindustrie, eine geringe Dichte an Gewerkschaften sowie die kurze Herrschaft des Anarcho-Kommunisten Max Hoelz und die damit einhergehende politische Radikalisierung eines Teils des Bürgertums sind weitere Faktoren, die zur Beschreibung der besonderen Verhältnisse in Plauen dienen können.

Schon beim Pogrom 1914 trat ein Kleinunternehmer in Erscheinung, der seit 1907 zu Plauens Spitzenfabrikanten zählt und später Mitglied des DSTB wird, der 1879 geborene Martin Mutschmann. Finanzielle Möglichkeiten, frühe Verbindungen zu Hitler sowie familiäre Vernetzungen auf der kommunalen NS-Ebene ermöglichen den Aufstieg. Mutschmann wird im Sommer 1924 Führer der Landesleitung des „Völkisch-Sozialen Blocks“ (VSB), der die verbotene NSDAP ersetzt. Nach der Wiedergründung der Partei ist nicht die Landeshauptstadt Dresden Sitz der Landes- bzw. Gauleitung, sondern Plauen, die Adresse lautet auf Bärenstraße 61, es ist Mutschmanns Wohnsitz und der Verwaltungssitz seines Unternehmens. 

Entscheidend für den Erfolg der NSDAP, für die Mobilisierung und Bindung Tausender in Plauen, sind auch die öffentlichen Auftritte von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Robert Ley in der Stadt. Im Juni 1930 ist sie außerdem Schauplatz des ersten großen Gauparteitags der sächsischen NSDAP, 1932 erringt die Partei in Plauen die absolute Mehrheit.

Mitte März 1933, kurz nach der NS-Machteroberung in Sachsen, wird die Gauleitung in die Landeshauptstadt verlegt. Mutschmann, der über Jahre an der Professionalisierung der Gauleitung und der Durchsetzung seines Führungsanspruches gearbeitet hat, siedeln sich in Dresden an, auf dem Weg zum Spitzenpersonal einer sich etablierenden Diktatur, die mit brutaler Härte gegen politisch Andersdenkende vorgeht.

Plauen war keine „Opferstadt“ im Gegenteil, Plauen war von der ersten Stunde an eine Stadt des Nationalsozialismus. Sie spielte eine wichtige Rolle beim Aufstieg der Nazis, war Schauplatz deutscher Kriegsindustrie und Ort antisemitischer und politischer Verfolgung. In Plauen gab es Zwangsarbeiter*innen und Ghettohäuser, es wurden Panzer gebaut und Juden verschleppt.